Eigentlich sollte es der Gr 20 auf Korsika werden, aber die Erfahrungsberichte von Freunden und Bekannten machten uns klar, dass das nicht der richtige Weg für uns ist: zu viel Leute, schmutzige Hütten, zu trocken, …
In einem Trekkingführer stießen wir auf ein Alternative, die uns Einsamkeit und traumhafte Landschaft, sauberes Wasser entlang des Weges und unberührte Natur versprach, allerdings auch einiges fordert.
Der Arctic Circle Trail verläuft durch die größte zusammenhängende Fläche Westgrönland, 100km nördlich des Polarkreises. In 170km führt er von Kangerlussuaq (ehemaliger Militärflughafen, jetzt größter Zivilflughafen) mit 700 Einwohnern zur westlich gelegenen Hafenstadt Sisimiut mit 6000 Einwohnern. Er führt durch arctische Vegetation entlang unzähliger Seen und Fjorde, wobei einige Bäche gequert und Sumpfgebiete passiert werden müssen.
Die Lebensmittel für die gesamte Zeit (9 – 14 Tage) müssen mitgenommen werden. Es gibt einige spartanisch eingerichtete Schutzhütten, aber ein sturmsicheres Zelt und ein guter Schlafsack sind absolut erforderlich.
Als Reisezeit wählten wir die letzten Augusttage. Dann sind zwar die Nächte schon kälter aber es sollte weniger Mücken geben und die Natur schon herbstlich gefärbt sein.
Wir benötigten 9 Tage für die gesamte Strecke.
23. August:
Etappe 1 von Kellyville zum Ostufer des Qarlissuit,
17,4km 330h
Der eigentliche Trail startet nicht in Kangerlussuaq sondern in Kellyville. Der Weg dorthin führt am Hafen vorbei 14km über eine staubige Schotterpiste. Wir verzichteten auf die Begehung und gönnten uns ein Taxi zum Ausgangspunkt.
Der Himmel war leicht bewölkt und die Temperaturen angenehm zum Wandern, der Rucksack leider noch unendlich schwer.
Wir tauchten schnell ein in eine eindrucksvolle Landschaft mit tiefblauen Seen, flachen Gebirgszügen, grünem Gras und bunten Sträuchern. Das letzte Zivilisationszeichen war ein völlig verrosteter Wohnwagen, an dem wir vorbeikommen. Der Weg war gut zu erkennen und noch ziemlich trocken. Unzählige Rentiergeweihe lagen am Weg oder dienten der Verzierung der Steinmännchen.
Vorbei an unzähligen Seen erreichten wir das Ziel der Etappe am Ufer des Verbindungsbaches zweier Seen. Etwas abseits auf einer Halbinsel des nördlichen Sees fanden wir einen schönen Zeltplatz. Getroffen haben wir an diesem Tag niemand, nur ein Rentier beäugte uns abends vom Grat aus neugierig. Abends wurde es schnell kalt und wir verkrochen uns in die Schlafsäcke.
24. August:
Etappe 2 vom Ostufer des Qarlissuit zu einer Landzunge am Amitsorsuaq,
20,3km 440hm
Beim Aufstehen beobachtet uns das Rentier wieder. Schon beim Frühstück war es nur noch leicht bewölkt und bald schien die Sonne vom wolkenfreien Himmel.
Die erste im Führer angekündigte Furt fiel aus, der Bach war fast ausgetrocknet, auch von Mücken keine Spur. Aber man soll sich nie zu früh freuen.
Zunächst ging es eine zeitlang bergauf und bergab bis wir wieder zum Ufer des Qarlissuit absteigen.
Unterwegs haben wir ein Rentier mit Jungem beobachtet.
Gegen Mittag erreichten wir die Katiffik Hütte am Amitsorsuaq, ein kleines, gepflegtes Holzhäuschen, sauber gestrichen, mehrere Schlafplätze, für uns aber nur Gelegenheit, die Rucksäcke auszuziehen und ein paar Kalorien nachzulegen. Dabei entdeckten wir den ersten Schneehasen, auf Grund seiner Farbe nicht zu übersehen. Was wir nicht entdeckten sind die erhofften Kanus. Seit der Aufgabe des Kanu-Centers am westlichen Seeende stehen die verbliebenen Alu-Kanadier der Allgemeinheit zur Verfügung und ersparen manchen viele Stunden anstrengenden Weges. Offensichtlich sind unsere Vorwanderer alle in unserer Richtung unterwegs gewesen und haben die Boote am westlichen Seeende verlassen. Pech, so blieb uns nichts anderes übrig, als die 24km zu Fuß am Seeufer entlang zu laufen.
Den Weg am Ufer entlang erschweren Geröllfelder und große Granitblöcke, die man überklettern muss. Mit dem schweren Rucksack nicht so einfach. Aber als dieses Hindernis überwunden war, ging es recht einfach bei herrlichen Wetter im am Seeufer entlang.
Nachdem wir ungefähr die Hälfte des Seeufers geschafft hatten, erreichten wir eine große Landzunge, die sich bestens zum Zelten anbot. Da wir abends ein kleines Feuerchen machen konnten, haben wir recht lange draußen gesessen.
25. August:
Etappe 3 von der Landzunge am Amitsorsuak zum Ufer des Tasersuaq,
22km 300hm
Das Wetter war wieder herrlich am Morgen. Schon das Frühstücken an dem wunderbar blauen See machte Spaß.
Unterdessen haben wir eine gute Strategie entwickelt, das Rucksackgewicht erträglicher zu machen. Jeweils nach einer Stunde wird eine kleine Pause eingelegt, bei jeder zweiten Pause gibt es Kalorien.
Nach einiger Zeit erreichten wir das verlassene Kanucenter, das als Hütte genutzt werden darf. Im Haus schliefen noch zwei Leute. Am Ufer lag ein Kanu, das uns hier nichts mehr nutzte. Nach einer weiteren Sunde war das Seeende erreicht, wo auch die anderen Kanus lagen.
Am Bach entlang verlässt man den See, steigt hinauf, um oben schon wieder den Blick auf den nächsten See Tasersuaq zu haben. Schon von oben sahen wir die kleine Halbinsel, die unser nächste Zeltplatz wurde.
Uns kamen ein Schweizer und zwei Dänen entgegen, die sich auf die Kanus auf der für sie richtigen Seite freuten. Da an diesem Nachmittag starker Wind aufkam, sind wir nicht sicher, ob die Kanufahrt wirklich ein Vergnügen wurde.
Immer wieder konnten wir in der Ferne Rentiere sehen. Ab und zu tauchten die ersten Mücken auf.
26. August:
Etappe 4 vom Tasersuaq zur Ikkatooq Hütte,
12km 580hm
Morgens war es warm und windstill. Bis zur Ikkatook Hütte ging es ziemlich viel bergauf. Der Weg führte vorbei an vielen kleinen Seen durch Feuchtgebiete und die Zahl der Mücken nahm zu. Aber noch waren sie gut zu ertragen.
An diesem Tag trafen wir die meisten Leute, neben zwei Dänen eine achtköpfige Gruppe aus Schwaben.
Auf der Hütte kamen kurz nach uns zwei weitere junge Dänen zur Hüttenkontrolle an. Sie verbrannten den Müll und säuberten die ganze Hütte. Wir überließen ihnen die Holzpritschen und bauten unser Zelt an einem schönen Platz in der Nähe auf.
Auf dem Plateau, auf dem die Hütte lag, blies unterdessen ein kräftiger Wind, aber an einem kleinen See unterhalb war es windstill. Hier blühte das Wollgras, das uns die ganze Tour begleitete, besonders üppig.
Da die Etappe kurz war, nutzten wir den Nachmittag für ein Kurzbad im See und einen erfolglosen Angelversuch.
Später kam noch ein Neuseeländer und baute sein Zelt in einiger Entfernung auf. Ihn sollten wir in den nächsten Tagen immer wieder treffen.
Der starke Wind trieb uns abends früh ins Zelt. Die Nacht wurde sehr kalt.
27. August:
Etappe 5 von der Ikkatooq Hütte zu einem kleinen See ohne Namen,
18,9km 750hm
Am Morgen war es leicht bewölkt. Durch wunderschöne Landschaft ging es bergauf-bergab bis ins das Tal des Itinnek. Hier erwartete uns die anspruchsvollste Flussdurchquerung des Trails. Also Schuhe und Hose aus, Latschen an und zunächst einen Probedurchgang ohne Rucksack. Es klappte problemlos, auch mit Rucksack. Aber kalt war das Wasser schon.
Später kamen wir noch an einer weiteren Hütte vorbei. Aber wir wollten noch ein ganzes Stück weiterkommen. Auf einer Anhöhe fanden wir am Nordufer eines kleinen Sees einen schönen Zeltplatz. Das Fläll rundherum war wunderschön. Zwei Schneehasen tummelten sich am gegenüberliegenden Ufer des Sees. Abends (Gott sei Dank nach dem Essen) fing es an zu regnen.
Getroffen haben wir nur drei Leute, wahrscheinlich Einheimische.
28. August:
Etappe 6 vom kleinen See zur Innajuattoqhütte II,
13,8km 250hm.
Es hatte die ganze Nacht geregnet. Pünktlich zum Frühstück hörte es auf. Es blieb den ganzenTag bedeckt, aber das gedämpfte Licht ließ die Herbstfarben der Sträucher und Moose leuchten. An diesem Tag mussten wir viele Feuchtgebiete queren und kleine Bäche begleiteten uns. Manchmal war der Weg geflutet und man musste parallel ausweichen. Allerdings nahm auch die Anzahl der Mücken deutlich zu. Auch Rentiere sahen wir wieder.
Als Tagesziel steuerten wir die neue Innajuattoqhütte an, die sehr geräumig ist und sogar ein „Plumpsklo“ hat, echter „Wildnisluxus“. Der Blick auf den benachbarten See ist wunderschön.
Auf der Hütte trafen wir den Neuseeländer wieder.
Nachmittags regnete es wieder. Später kam noch ein tschechisches Pärchen aus der anderen Richtung, das auch beschloss in der Hütte zu übernachten, um alle Klamotten zu trocknen. Wir hatten einen geselligen Abend in der Hütte.
29. August:
7. Etappe von der Innajuattoqhütte zur Nerumaqhütte,
18km 340hm
Am Morgen sorgten Nebelschwaden über dem See und Fluss für ein stimmungsvolles Bild. Noch regnete es leicht. Trotzdem brachen wir früh auf.
Als erstes stand eine Flussquerung an. Dank des Tipps der Tschechen fanden wir eine für „Steinehüpfen“ geeignete Stelle. Das Fjäll wurde von Tag zu Tag herbstlicher und schöner. Außer mit Rentieren und Schneehasen machten wir an diesem Tag keine neuen Bekanntschaften mehr.
Es hörte schnell auf zu regnen, aber nass blieb es den ganzen Tag. Wir hatten unzählige Bäche zu queren. Als wir die Nerumaqhütte erreichten, sah es wieder nach Regen aus und wir beschlossen abzuwarten, ob noch weitere Schlafgäste auftauchen würden. Die Hütte war klein, aber sehr schön, genau das Richtige für zwei. Niemand kam und wir breiteten uns in der Hütte aus. Eine gute Entscheidung, denn abends regnete es wieder.
30. August:
8.Etappe von der Nerumaqhütte zur Hütte oberhalb des Fjords,
18km 330hm
Morgens regnete es noch, aber das Wetter wurde dann schnell besser. Heute galt es den gleichen Bach gleich dreimal zu überqueren. Wir hatten den Ehrgeiz dies durch „Steinehüpfen“ zu erledigen.
Wegen des Regens in den letzten Nächten war der Wasserstand sehr hoch. Zweimal fanden wir (oder besser Rainer) nach längerem Hin- und Herlaufen eine geeignete Stelle, aber beim dritten Mal hatten wir keine Chance. Also noch einmal furten. Und sofort hatten wir reichlich Mückenstiche auf den Beinen. Diese Biester!
Das ganze Bachtal war unglaublich nass. Es war der stillste Tag: kein Mensch, kein Tier, dafür viel Landschaft. Unterdessen waren wir in den Bergen angekommen und die ersten Schneegipfel wurden sichtbar.
Ziel war die Hütte am Fjord, die uns von vielen empfohlen wurde. Sie liegt recht exponiert auf einem Hügel und man hat einen herrlichen Blick auf den Fjord Kangerluarsuk Tulleq.
Es gab auch gute Zeltmöglichkeiten, aber wir fürchteten, dass es nachts wieder regnen würde. Wir hatten das Hüttchen ja für uns alleine. Und gemütlich drinnen essen ist auch nicht schlecht.
31. August:
9. und letzte Etappe von der Nerumaqhütte nach Sisimiut,
22km 890hm
Wir sind früh aufgestanden und vertilgten gerade unser Müsli, als plötzlich eine Sturmböe um die Hütte fegte. Fast gleichzeitig setzte heftiger Regen ein. Dabei hatte das Wetter eigentlich gut ausgesehen. Schnell war klar, dass dieses Wetter sich so schnell nicht ändern würde.
Sollten wir einen Tag auf der trockenen aber kalten Hütte bleiben oder durch das Hundewetter bis Sisimiut laufen? Wir entschieden uns für letzteres, denn in Sisimiut wartete eine heiße Dusche und ein warmes Zimmer auf uns. Aber immerhin waren 22km und etliche Höhenmeter zu überwinden. Also zogen wir uns so wind- und wasserdicht an wie möglich und brachen schnell auf.
Sturm und Regen waren heftig und selbst Goretex kapitulierte nach kurzer Zeit. Schnell waren wir bis auf die Haut nass, und das bei 4° C. Da half nur Gas geben. Trotzdem loggten wir den ACT-K->S. Nur zum Kaloriennachlegen wurde angehalten und so standen wir bereits um 14:00 Uhr vor dem Vandrerhjem in Sisimiut, und das vor verschlossener Tür. Frühestens um 16:00Uhr würde jemand kommen. Da wir (im wesentlichen Gaby) nicht unerheblich zitterten, beschlossen wir in dem leider teureren Seemannsheim Quartier zu beziehen. (Der Name täuscht, es handelt sich um ein Hotel). Bald saßen wir geduscht und trocken in der Cafeteria. An diesem Tag haben wir noch zweimal gegessen.
Fazit
Neun Tage in traumhaft schöner Umgebung liegen hinter uns. Es geschafft zu haben, lässt die Anstrengungen und Mühen so wie die kleinen WehWehchen in den Hintergrund treten.
Alles hat gut funktioniert. Wir waren gut vorbereitet, Bekleidung und Verpflegung stimmten. Der Wettergott hat es bis auf den letzten Tag gut mit uns gemeint.
Wir haben das Gefühl an einem ganz besonderen Platz der Erde gewesen zu sein, dessen Reiz das Fehlen bestimmter Dinge ist. Keine Autos, keine Häuser, kein Netz und fast keine Menschen, nur ein Trampelpfad, unendliche Weite und Stille und ein ganz besonderes Licht.
Sisimiut, 1. bis 5. September
Den ersten Tag nach unserem Trekk haben wir verbummelt. Nach einem guten Frühstück sind wir durch den Ort gelaufen, haben Socken und einen kleinen Rucksack gekauft, dann wieder Kaffee getrunken und köstliche Lachsbrötchen gegessen, den Hafen angeschaut und gecacht, alles ganz gemütlich.
Wir staunten über den starken Autoverkehr, obwohl sich das Straßennetz auf den Ort beschränkt und alles gut zu Fuß zu erreichen ist.
5 Tage sind wir in Sisimiut geblieben, um dann mit dem Schiff nach Norden zur Discobucht zu fahren. Nach zwei Tagen sind wir zu Gunsten unserer Reisekasse in das Vandrerhjem umgezogen, wo wir dann auch den Neuseeländer und andere Trekker trafen.
Wir haben noch zwei kleinere Berge bestiegen, Palais Qaqqaa und Nasaasaaq, und eine Wanderung entlang der Küste gemacht und fantastische Ausblicke genossen.
Auch ein typisch grönländisches Essen im Hotel Sisimiut haben wir uns gegönnt.
Das Wetter wurde wieder besser und bescherte uns traumhafte Sonnenuntergänge
Ilulissat 6. bis 10.September
Am Abend des 5. Septembers bestiegen wir unser Schiff Richtung Disko-Bucht. Das Schiff schwankte zu Beginn erheblich, aber in den Schären wurde die See ruhiger und wir schliefen gut. Schon kurz nach dem Frühstück kamen die ersten Eisberge in Sicht und bald fuhr das Schiff mitten durch ein Heer bizarrer Gestalten. Mit einer solchen Dichte von Eisbergen hatten wir nicht gerechnet.
In Ilulissat fanden wir Quartier in einem Hostel und buchten direkt unseren Zweitagesausflug in das Icecamp Equi, direkt am Gletscher Eqip Sermia, der ca. 80 km nördlich von Ilulissat ins Meer ausläuft. Dort hat man kleine Holzhütten gebaut, von denen man einen fantastischen Blick auf den kalbenden Gletscher hat.
Am nächsten Morgen ging es früh los, denn die Bootstour nach Equi dauerte fast 5 Stunden. An Bord wurden wir hervorragend mit grönländischem Essen versorgt. Schon von weitem sah man die mächtige Eiswand des Gletschers und hörte das ständige Donnern des abbrechenden Eises. Im gebührenden Abstand ankerte das Boot und wir konnten zwei Stunden lang dem unglaublichen Schauspiel zuschauen.
An Land bezogen wir die kleine aber feine Hütte, machten noch einen Spaziergang Richtung Inlandeis und genossen ein köstliches Abendessen mir Shrimps und Dorsch und anderen Leckereien.
Da uns das Schiff erst mittags wieder abholen würde, machten wir am nächsten Morgen eine Wanderung auf die Moräne des Gletschers, von wo aus man von Nahem auf den kalbenden Gletscher schauen konnte.
Zurück ging es mit einem deutlich kleineren und schnelleren Boot, das sehr dicht an die Eisberge heranfuhr. Unterwegs haben wir dann als Zugabe noch einige Buckelwale beobachten können.
Bis zu unserem Rückflug blieb noch ein Tag, den wir zu einer Wanderung zur Mündung des Eisfjords Kangia nutzten auf dem die gewaltigen Eisberge treiben.